WSF profitiert von den Tugenden der Automotive-Industrie

WSF profitiert von den Tugenden der Automotive-Industrie

Seit Dezember 2020 produzieren Alexander Schnöll und Roland Wallmannsberger mit ihrem Unternehmen WSF Bicycle Technology (E-)Bikes für Fahrradmarken aus aller Welt. Zuvor waren die beiden Gründer über zehn Jahre lang als Einkäufer, Manager und Berater in der Automotive-Branche tätig und bringen diese Erfahrung nun in die Fahrradfertigung ein. „Wir setzen auf Tugenden, die im Automobil-Sektor gang und gäbe sind und auf größtmögliche Effizienz und Qualitätssicherung abzielen. In der Fahrradindustrie galten sie lange als nicht umsetzbar – WSF tritt den Gegenbeweis an“, so Alexander Schnöll. Die Nachfrage sei so groß, dass man derzeit noch viele Aufträge ablehnen müsse. Mittels der kürzlich gestarteten Crowdinvesting-Kampagne bei CONDA plant WSF daher, sein Produktionsvolumen bis 2026 von rund 25.000 auf 100.000 (E-)Bikes pro Jahr zu steigern.  

Vergleicht man die Herstellung von Autos mit jener von Fahrrädern, stößt man auf den ersten Blick nur auf wenige Gemeinsamkeiten. „Gerade in Bezug auf grundlegende Produktionsstandards und die daraus resultierenden Prozessabläufe ist das überraschend. Diese wären praktisch deckungsgleich in beiden Fällen anwendbar, unterscheiden sich in der derzeitigen Praxis aber enorm. Während die Automotive-Industrie darauf ausgerichtet ist, Optimierungspotentiale zu identifizieren und auszuschöpfen, hält die Fahrradindustrie großteils an ineffizienten Strukturen und Vorgehensweisen fest und nimmt damit die Verschwendung von Geld, Zeit und Ressourcen in Kauf“, erklärt Alexander Schnöll. Gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Roland Wallmannsberger hat er WSF Bicycle Technology gegründet, um ein neues System der Fahrradfertigung anzubieten.  

Vom bisherigen Status Quo hebt sich dieses System bereits durch den Anspruch ab, nicht strikt nach einer (unter Umständen mangelhaften) Bauanleitung zu fertigen, sondern das Assembling auf die Funktionalität und Usability der Räder auszurichten. „Es mag seltsam klingen, aber das Mindset, dass jedes Rad zu 100 Prozent bis auf die kleinste Schraube passt, ohne dass der Händler noch selbst Hand anlegen muss, hat in der Fahrradindustrie Seltenheitswert. Wir orientieren uns im Gegensatz dazu am Null-Fehler-Prinzip, das im Automotive-Sektor vorherrscht“, erklärt Alexander Schnöll.  

 

Neues Mindset, neue Möglichkeiten

Die Grundidee ist eine vermeintlich banale“, ergänzt Roland Wallmannsberger. „Statt die Fahrräder zu montieren und danach den Auftraggeber oder gar die Endkund:innen kontrollieren zu lassen, ob sie funktionieren, gestalten wir den Montageprozess so, dass am Ende ausschließlich funktionstüchtige und qualitativ einwandfreie Fahrräder herauskommen.“ Dafür greift WSF auf bewährte Praktiken aus der Automotive-Industrie zurück. So wird beim Design der Räder etwa bereits das spätere Assembling berücksichtigt, um dieses effizienter und kostengünstiger zu gestalten und durch einfache Montageprozesse eine hohe Montagequalität zu erreichen (Design for Assembly). Statt Herausforderungen zu kreieren, die in der Montage gelöst werden müssen, beugt man etwaigen Herausforderungen bereits am Reißbrett vor und fördert somit einen reibungslosen, weniger fehleranfälligen Montageprozess.   

Mit- bzw. Vordenken spielt auch beim „Frontloading“ eine entscheidende Rolle. Dabei werden so viele Aufgaben wie möglich schon weit im Vorfeld der Montage gelöst, beginnend mit einem rigorosen Check der Stückliste und einem gewissenhaften Musteraufbau. Eventuell auftretende Mängel, die sich durch den Assembling-Prozess oder die Fahrradkomponenten selbst ergeben könnten, werden auf diese Weise früh erkannt und in Folge schnellstmöglich behoben.  

Generell steht die Kontrolle des Fahrrads nicht erst am Ende der Wertschöpfungskette, sondern zieht sich als roter Faden durch die gesamte Fertigung. „Hier sprechen wir einerseits von ‚Poka Yoke‘, einer Technik zur präventiven Qualitätssicherung, bei der die Produktion von vornherein so gestaltet wird, dass keine Fehler entstehen oder sofort entdeckt werden. Das betrifft etwa das Setup am Arbeitsplatz, die Auswahl der am besten geeigneten Werkzeuge oder die Abfolge der Arbeitsschritte. Andererseits findet das ‚Jidoka‘-Prinzip Anwendung, die intelligente Automation. Sie sieht vor, dass Prozesse und Maschinen so konfiguriert werden, dass Probleme automatisch erkannt und gestoppt werden“, erklärt Alexander Schnöll.  

 

Einzigartiges Fertigungskonzept, Finanzierung durch die Crowd

Um neben Topqualität auch ein Höchstmaß an Flexibilität gewährleisten zu können, setzt WSF in der Fertigung zudem auf eine feinabgestimmte Kombination aus Linienproduktion und Einzelplatzmontage. Das ermöglicht nicht nur die parallele Herstellung verschiedener Groß- und Kleinserien, sondern ebenso eine zügige Anpassung an marktbestimmende Trends. „Unsere Kund:innen müssen sich beispielsweise nicht schon Monate vorher auf jedes kleine Detail ihrer Räder festlegen, sie können uns auch unmittelbar vor dem Assembling mit kurzfristigen Änderungen beauftragen“, so Roland Wallmannsberger. 

Derzeit fertigt WSF unter anderem für die Hersteller Vello (Österreich), Storck (Deutschland) und Tour de Suisse (Schweiz). 25.000 (E-)Bikes werden jährlich in der Werkshalle in Regau montiert. Bis 2026 sollen es 100.000 sein; Voraussetzung für das rasante Wachstum ist eine Aufstockung der Arbeitskräfte. Die nötigen finanziellen Mittel liefert die vor wenigen Wochen angelaufene Crowdinvesting-Kampagne auf conda.de, bei der bereits über 400.000 Euro von mehr als 200 Investorinnen und Investoren eingesammelt wurde. 

 

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